„Klar kennt man uns in ganz Deutschland!“ Dass die Bekanntheit vieler großer Marken gar nicht so gleichmäßig über das ganze Land verteilt ist, haben Raffael Weber, hauptverantwortlich für Digitales Handelsmarketing und Geo Intelligence bei CROSSMEDIA und Matthias Scheider, Gruppenleiter und Datenforscher der CROSSMEDIA REDBOX, in einer Untersuchung festgestellt. Die beiden Experten haben nicht nur die Brand Awareness untersucht, sondern auch die Mediaspendings zahlreicher Marken. Im Interview geben sie vertiefende Einblicke in ihre Arbeit.
In Eurer kürzlich vorgestellten Studie kommt Ihr zu dem brisanten Ergebnis, dass viele Marken in ihrer Mediaplanung zu eindimensional national agieren. Warum ist das überhaupt ein Problem?
Raffael Weber: Das ist ganz einfach: Weil Markenbekanntheit bewiesenermaßen nicht überall gleichmäßig verteilt ist – selbst bei den ganz großen Marken! Das wird dann zu einem Problem, wenn diese Ungleichverteilung mittel- und langfristig dazu führt, dass der Markenerfolg sich nicht einstellt. Die Folgen sind verheerend, denn die Sales bleiben weit unter ihrem eigentlichen Potenzial liegen!
Wo genau liegen die Tücken in einer solchen Strategie?
Raffael Weber: Eine zu stark national ausgesteuerte Mediaplanung kann zu massiven Effektivitäts- und Effizienzdefiziten führen. Einerseits erleichtert die Nichtberücksichtigung der regionalen Ungleichgewichte von Marken-, Zielgruppen- und Vertriebskennziffern zwar die Planung, andererseits sorgt eine solche Strategie im Umkehrschluss auch dafür, dass die Kommunikation nicht ihr volles Potenzial entfalten kann. Und dann kommt noch der Wettbewerb dazu: Wenn die eigene Markenbekanntheit und -sympathie regional gegenüber der Konkurrenz abfällt, wird es richtig herausfordernd. Aber genau dies lässt sich aber mit unserem Ansatz analysieren und ermöglicht, die passenden Korrekturen in der Mediastrategie abzuleiten. Wir reden hier nicht nur von ein paar Marken, sondern von einem bedeutenden Teil des Marktes.
Ihr stellt die These auf, dass ein signifikanter Teil von Marken in Deutschland weit unter seinen Möglichkeiten performt. Welche Zahlen habt Ihr dafür berücksichtigt?
Matthias Schneider: Wir haben circa 1.200 im YouGov BrandIndex erfasste Marken heruntergebrochen und auf regionaler Ebene analysiert. Der Anteil der Marken, deren Bekanntheit regional sehr unterschiedlich ist und die daher häufig ihr Potenzial nicht ausschöpfen, liegt bei beinah 50 %. Wir sprechen also von circa 600 Marken, die ihre Mediastrategie dringend überdenken sollten und dem Faktor Raum innerhalb der Planung mehr Bedeutung schenken sollten.
Wie ist es um die übrigen Marken bestellt?
Raffael Weber: Wir teilen grundsätzlich in drei Cluster ein. Die „Nationals“ machen 42 % aus und umfassen überwiegend national wahrgenommene Marken. „Locals“ hingegen meinen Marken, die mit gutem Grund nur auf lokaler Ebene werben, da sie aus einer Region kommen und dort auch ihr Vertriebsgebiet liegt. Dort werden sie breit wahrgenommen. Diese Marken machen 11 % aus. Schließlich gibt es noch die „Balancers“ mit einem Anteil von 47 %.
Matthias Schneider: Und genau hier wird es interessant, denn die „Balancers“ haben weder eine ausgeglichene nationale Markenbekanntheit noch eine rein lokale. Das ist nicht immer schlecht: Eine Marke mit Vertriebsgebiet ausschließlich in Süddeutschland muss nicht im Norden bekannt sein; wenn sie aber kommunikativ überall präsent ist, stellt das möglicherweise ein Problem dar. Daher haben wir im nächsten Schritt die Mediaspendings im Raum analysiert, um Hinweise zu erhalten, wie diese Marken aktuell kommunizieren.
Wie sieht die Kommunikation der „Balancers“ denn aus?
Matthias Schneider: Um die Kommunikation der „Balancers“ aufzuschlüsseln, haben wir die TV-Spendings analysiert. Das Match der Balancers mit ihren TV-Spendings lieferte aufschlussreiche Ergebnisse: Obwohl die betrachteten Marken regionalen Aufholbedarf haben, setzt ein Großteil von ihnen weiter nach dem Gießkannenprinzip auf nationale Kommunikation, anstatt regional hinsichtlich Präsenz und Botschaft auszusteuern.
Raffael Weber: Genau hier offenbart sich die Bruchstelle. Die „Balancers“ benötigen eigentlich eine Balancing-Strategie, denn sie müssen der Tatsache Rechnung tragen, dass ihre Marke regional unterschiedlich funktioniert. Demnach weisen sie in bestimmten Regionen starke Bekanntheitslöcher auf, auf die es individuell zu reagieren gilt.
Also müssen „Balancers“ grundsätzlich stärker regional werben?
Raffael Weber: Nein, manchmal ist Regiotargeting einfach zu granular und zu kostenaufwendig. Unsere Untersuchung dient als Basis, als zusätzliches Tool, mit dem das Ungleichgewicht ermittelt und eventuell aufgehoben werden kann.
Wie sehen die Möglichkeiten stattdessen aus, diese Bekanntheitslöcher zu schließen?
Raffael Weber: Präsenz und Botschaften müssen zunächst viel zielgerichteter ausgerichtet werden, damit die mediale Wirkung nicht verpufft, sondern die richtigen Adressaten erreicht. Genauer hinschauen lohnt sich also. Wer dies tut, hat verschiedene mediastrategische Möglichkeiten. Zwei gängige Ansätze bilden die bereits angeschnittene Balancing- als auch die Local-Hero-Strategie.
Matthias Schneider: Der Balancing-Ansatz erzielt den Ausgleich der räumlichen Ungleichgewichte auf Basis der regionalen Markenstärken und -schwächen mit regionalen Targeting-Möglichkeiten der klassischen, aber auch digitalen Medien. Hierbei geht es bei der Selektion der Kanäle um die strategische und taktische Passgenauigkeit sowie die intermedial sauber ausbalancierte Leistungsentfaltung. Dieser Ansatz ist zum Beispiel für überregional und national flächendeckend distribuierte Marken wie FMCG, E-Comms, Banken, Versicherungen und Händler sinnvoll.
Raffael Weber: Bei der Local-Hero-Strategie hingegen werden die regionalen Märkte sowie die regionalen Markenstärken und -schwächen auch im Vergleich zu den direkten Wettbewerbern verglichen. Der notwenige Mediaimpact, um ein „Local Hero“ zu werden, wird aus dem Verhältnis der eigenen Markenwerte und des lokalen Werbedrucks zu dem der Wettbewerber gesetzt. Damit lässt sich für jedes beliebige Gebiet beurteilen, wie viel Werbedruck notwendig ist, um lauter und sichtbarer als der Wettbewerb zu sein.
Was empfehlt Ihr Marken in Bezug auf ihre Mediaplanung?
Matthias Schneider: Die Verantwortlichen sollten hinterfragen, ob die aktuelle Kommunikation überhaupt mit den gesteckten Zielen übereinstimmt. Unser Balancing-Ansatz und unsere Local-Hero-Strategie schaffen erste Abhilfe, sollte die Marke zu den „Balancers“ zählen.
Raffael Weber: Es bietet sich an, die Botschaften regional entlang der unterschiedlichen Markenbekanntheit zu differenzieren und so die Marke entweder weiter aufbauen oder direkt in die Produkt- und Angebotskommunikation zu gehen.
Matthias Schneider: Außerdem empfehlen wir flexibel zu arbeiten und anhand der sich entwickelnden Markenwerte des YouGov-Trackings die regionale Mediastrategie regelmäßig anzupassen. Regionale Bekanntheitslöcher gehören dann der Vergangenheit an.
Die vollständigen Insights der Studie finden Sie in unserem Regio White Paper, das Sie über diesen Link kostenlos downloaden können.
Foto Credit: Julia Höfer (CROSSMEDIA)
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