Für den Nonfood-Handel entwickelt sich die Corona-Pandemie immer mehr zu einem Desaster. Neben den wirtschaftlichen Einbußen durch die Lockdowns, die auch durch die digitale Verlängerung der Ladentheke bislang nicht in Ansätzen kompensiert werden konnten, droht zum sukzessiven Re-Opening nun die nächste Ernüchterung: der Homo Corona Digitalis.
So sehr wir uns wünschen, dass unser Leben endlich wieder „normal“ wird – die Veränderungen, die das letzte Jahr gebracht hat, sind enorm. Überall zeichnet sich ab, dass es ein „wie vorher“ wohl nicht geben wird. Auch nicht im Handel. Hier liegt das große Gefahren-Momentum für den stationären Handel insbesondere in der Digital-Konditionierung der Verbraucher während der Pandemiezeit. Digital Shopping ist scheinbar das „New Normal“ geworden. Auch der letzte mürrische Onlineshopping-Gegner deckt seinen Bedarf mittlerweile im Netz, auch die letzten wenig digital affinen Großeltern suchen und finden die Geschenke für ihre Enkel heute am Screen und nicht mehr in der Fußgängerzone.
Amazon hat in den letzten drei Monaten bis Ende 2020 die 100 Milliarden Dollar-Grenze geknackt, die Erlöse stiegen parallel um 44%. Der gesamte e-Commerce-Bereich ist im gleichen Zeitraum versus Vorjahr um 24% gewachsen. Allein diese gigantischen Zahlen machen deutlich, welchen Beschleunigungs-Booster Corona für die digitale Transformation des Handelsgeschäftes darstellt.
Ist das aber jetzt schon der unabwendbare Todesstoß für den stationären deutschen Handel, wie einige bereits pessimistisch unken?
Ich denke: Nicht zwangsläufig, denn da wird die Rechnung ohne den wichtigsten Faktor in der Gleichung gemacht. Den Menschen.
Sehnsuchtsdimensionen, die digital nicht zu befriedigen sind
Das Erlebnis „Innenstadt“ ist multidimensional und multisensorisch. Die Sehnsucht nach dem physischen Flanieren und Shoppen ist riesig. Nach der für alle sehr zermürbenden Isolationsphase drängt es die Menschen wieder nach draußen, nach Geselligkeit und danach, es sich gut gehen zu lassen. Diese Sehnsuchtsdimensionen sind digital nicht wirklich zu befriedigen und daher wird es auch zukünftig eine sich ergänzende Dualität zwischen digitalem Einkauf und physischem Shoppen geben.
Aber – und das muss allen klar sein – das Kräfteverhältnis hat sich erdrutschartig verschoben. Ein Eins-zu-Eins zurück zur alten Old Economy-Normalität wird es im Handel nicht geben.
Schnell zu realisierende Ansprache-Systeme statt langer Prozessketten
Für den stationären Handel heißt es entweder jetzt Grundlegendes neu zu denken oder (gar nicht mal so mittel- bis langfristig) vor existenzbedrohenden Problemen zu stehen. Das Prinzip Hoffnung hat endgültig ausgedient. Neben der Neujustierung der Geschäftsmodelle gilt es, mit Blick nach vorne das zukünftige Kommunikationssetup zu hinterfragen. Lange Vorlaufzeiten und entsprechende Prozessketten für physische Beilagen oder Out-of-Home-Flights haben sich in der Krise als nicht praktikabel herausgestellt. Ein Fingerzeig für die Zukunft?
Die Kurzfristigkeit der politischen Entscheidungen zwingt den Handel insbesondere zum Re-Opening, aber auch darüber hinaus verstärkt in schnell zu realisierenden Ansprache-Systemen zu denken. Das führt automatisch zu einem Paradigmenwechsel, weg vom Offline- hin zum Onlinemedia-Einsatz als neuem Basis-Standbein.
Fehlende Reichweiten von digitalen Maßnahmen sind keine Ausrede mehr
Bis dato war das K.-o.-Kriterium zum primären Digital-Einsatz immer das Thema der fehlenden Reichweiten. Mehrstufige Kampagnen, die sowohl zeitlich als auch inhaltlich an der Relevanz des Produktes für den Kunden ausgerichtet sind und damit präzise aktivieren, machen es aber nachweislich heute schon möglich, eine überzeugende Steigerung der Besucherströme in stationären Läden zu erzielen.
Ein Beispiel: Für die Möbelkette PORTA haben wir im Zusammenspiel mit unserer Geo Intelligence Tochter BRANDLOCAL in einer dreistufen reinen Digital-Kampagne eine Traffic-Steigerung in den Geschäften von 23% realisiert.
Die drei Phasen der Digital-to-Store-Activation-Kampagne folgten dabei einem an den Bedürfnissen der Zielgruppe und ihrer räumlichen Verortung ausgerichteten Schema.
Im ersten Schritt, der Reach-Phase, wurde zunächst via Geo Intelligence in jeweiligen Store-Einzugsgebieten die passende Audience selektiert und mit großflächiger Displaywerbung reichweitenstark angesprochen.
In der nachfolgenden Consideration-Phase wurde die Zielgruppe mittels eines spitzen In-Market-Ansatz gefiltert. Es wurden also nur Leute angesprochen, die ein echtes Möbel-Kaufinteresse hatten.
In der dritten Phase zielte alles voll auf den Store Visit ab. Der hyperlokal getargete und auf Mobile fokussierte Kampagnenbaustein diente dazu, direkte Besuche in den Möbelhäusern zu stimulieren.
Wie Händler ihre Kommunikation optimieren können
Es gibt eine ganze Reihe von Maßnahmen, die dazu geeignet sind, den Homo Corona Digitalis zu einem Einkauf in der realen Welt zu bewegen. Die nachfolgenden drei Bausteine sind nur ein kleiner Ausschnitt der Möglichkeiten:
- Ausspielung spezieller Offline-Angebote für Online-Käufer
Insbesondere für die Re-Opening-Phase sollten Händler u.a. auf eine geo-getargete Ansprache von primären Online-Käufern in der jeweiligen Warenkategorie setzen, um dort zielgerichtet mit reinen Offline-Angeboten und -Services zu locken. - Mehrstufe Drive-to-Store-Kampagnen
Präzise Selektion und Ansprache der im jeweiligen Zeitfenster relevanten Kunden: Mehrstufige Drive-to-Store-Kampagnen sorgen für gezielte Stimulation und schließlich Aktivierung. - Geo-Intelligence-Analysen als Basis für den hyper-lokalen Mediamix
Vorgeschaltete Geo Intelligence-Analysen von unterschiedlichsten Daten zu Marke, Zielgruppen, PoS-Performance, etc. bilden die beste Basis, den lokalen Mediamix auf maximale Wirkleistung zu trimmen – und das individuell für jeden einzelnen Store.
Dieser Artikel ist erstmals am 30. März 2021 auf wuv.de erschienen.
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