Trotz der Erfolgsgeschichte von Programmatic Advertising läuft auch im digitalen Marketingnoch erstaunlich viel manuell. Während unsere Media-Gelder längst durch Algorithmen platziert werden, gehen für einen Kampagnenstart oft noch unzählige E-Mails hin und her. Dirk Nögel, Director Digital Products & Innovations bei CROSSMEDIA Düsseldorf, untersucht das Paradox und gibt Handlungsempfehlungen, mit denen die Kampagnenplanung effizienter wird.
Die Erfolgsgeschichte des digitalen Marketings ist eng verknüpft mit zunehmender Automatisierung. Längst entscheiden Algorithmen, wer welche Anzeige ausgespielt bekommt und wieviel diese Ausspielung Wert ist. Angebote wie Advantage+ (Meta) oder Performance Max (Google) zeigen, wie sich die großen Plattformen die Zukunft vorstellen: möglichst wenig Vorgaben vom Anwender, möglichst viel automatisierte Entscheidungsfreiheit für den Algorithmus.
Trotzdem beklagen Marketing-Abteilungen und Agenturen akuten Personalmangel. Alle Beteiligten sprechen von steigendem Aufwand im digitalen Marketing, während man doch eigentlich Zeitersparnisse dank der immer weiter fortschreitenden Automatisierung erwarten würde. Wie kann das sein?
Zeitaufwand in sequenziellen Prozessen
In der Regel findet Automatisierung vornehmlich in Bezug auf die automatisierte Aussteuerung der Werbung statt, während der vorhergehende Abstimmungsprozess nach wie vor größtenteils manuell abläuft. Selbst modernste programmatische Kampagnen folgen oft noch traditionellen, sequenziellen Arbeitsprozessen. Ein Beispiel ist die Werbemittel-Produktion: Wochen vor Kampagnenstart erstellt die Mediaagentur einen Produktionsplan, einige Tage vor Kampagnenstart liefert die Kreativagentur die Werbemittel. Die Bearbeitungszeit der einen Agentur ist die Wartezeit der anderen. Das macht Kampagnenstarts zu zeitaufwändigen Projekten. Mehr noch, die lange Zeitspanne führt mitunter dazu, dass Detail-Informationen und Absprachen längst von anderen Projekten überlagert werden und rekonstruiert werden müssen. Auch Vertretungssituationen innerhalb der Teams werden wahrscheinlicher, je länger der Zeitraum ist.
Das Rad nicht immer wieder neu erfinden
Viele Kampagnen erfordern einen solch aufwändigen Prozess. Immer dann, wenn die Kreation neue Wege geht, braucht sie ausreichend zeitlichen Spielraum. Studien zeigen deutlich, wie lohnend es für Werbungtreibende ist, in gute Kreation zu investieren. Doch es gibt in der Praxis auch Kampagnen, bei denen es keinen Sinn macht, das Rad immer wieder neu zu erfinden. Beispiele sind Angebotswerbung, lokale Aktionen oder Recruiting Ads für konkrete, offene Stellen. Diese Kampagnen folgen sowohl in der Kreation als auch auf Mediaseite bewährten Mustern und bieten daher großes Potenzial für Automatisierung und Vereinfachung. Sie zu automatisieren entlastet alle Beteiligten und schafft so den Raum, freigewordene Energie gezielt dort zu investieren, wo sie mehr Erfolg verspricht. Diese fünf Schritte können dabei helfen, den Umsetzungsaufwand digitaler Kampagnen deutlich zu reduzieren:
1. Kampagnentypologie verschafft Klarheit
Kampagnen mit Optimierungspotenzial lassen sich schnell identifizieren: Handelt es sich um wiederkehrende Kommunikationsanlässe? Wenn weder auf Seite der Kreation noch auf Mediaseite zwingender Bedarf besteht, das Setup immer wieder gänzlich neu zu denken, macht es Sinn, hier das Potenzial für parallele Arbeitsstränge und Automatisierung auszuloten. Bereits die Festlegung bestimmter Standards für einzelne Kampagnentypen erleichtert die Abstimmungsroutine oft bereits erheblich.
2. Einheitliche Datenbasis erlaubt paralleles Arbeiten
Zeitsparendes, paralleles Arbeiten benötigt zentrale Daten. Live synchronisierte Informationen erlauben es Kunden und Agenturen, ihre Arbeit jederzeit fortzusetzen, ohne auf das vollständige Arbeitspaket eines Partners warten zu müssen. Einen einfachen Einstieg können hier bereits smart miteinander vernetzte Google Sheets bilden.
3. Dynamic Ads als Kern der Automatisierung
Wichtiger Bestandteil jeder Automatisierung ist die Werbemittel-Produktion. Dynamic Ads werden meist genutzt, um besonders viele Werbemittel-Varianten zu erzeugen, beispielsweise eine Variante für jedes Produkt im Online-Shop. Doch die dahinterliegende Technologie eignet sich auch dann, wenn nur wenige Varianten notwendig sind, diese aber besonders schnell bereitstehen sollen. DCO-Templates sind zudem mittlerweile höchst flexibel und ermöglichen so durchaus kreativen Spielraum.
4. Die verbindende Automatisierung
Zentrale Automatisierungen sorgen schließlich dafür, dass Informationen zwischen Parteien synchronisiert werden und automatisierbare Arbeitsschritte effizient im Hintergrund ablaufen. Ein vereinfachtes Beispiel aus der Praxis: Eine Airline bewirbt bestimmte Flugrouten zum Festpreis. Sobald der Werbungtreibende Start- und Zielflughäfen hinterlegt hat, wird automatisiert das richtige Geo-Targeting um den Abflughafen gewählt, die passende Zielgruppe für die DSP in Form einer ID herausgesucht und die Währung im Werbemittel-Text an den Abflugort angepasst. In der Ansicht für die Kreativagentur erscheint dann umgehend die Route, so dass eine passende Headline beigesteuert werden kann. Ist der Prozess eingespielt, gelingt so in 1-2 Tagen das, was zuvor Wochen dauerte.
5. Generative KI als Automatisierungs-Turbo
Zusätzlicher Rückenwind für Automatisierungen kommt durch generative KI. Mit ihrer Hilfe lassen sich selbst Arbeitsschritte automatisieren, bei denen dies vorher undenkbar schien. Ein passendes Bild aus vorgegebenen Alternativen auswählen, Text-Vorschläge oder Überprüfung auf Einhaltung von Regeln – die KI übernimmt bereits heute viele Schritte, die zuvor zwingend manuell waren. Wenn wir beginnen, Automatisierung nicht nur in Bezug auf den Buchungsprozess, sondern auch auf Abstimmungs- und Erstellungsprozesse zu denken, können wir uns einen Teil unserer Zeit zurückerobern. Wofür wir diese dann einsetzen, bleibt uns selbst überlassen.
Dieser Artikel ist zuerst am 15.11.2023 auf horizont.net erschienen.
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