Sind Facebook, YouTube und Co. dabei, Ihre Userschaft zu vergraulen? Jay Krihak, Executive Director New York, glaubt, dass die Big Player unter den Plattformen handeln müssen, wenn sie User halten möchten und nimmt gleichzeitig Marken in die Pflicht.
Zwischen Creator-Plattformen tobt ein heftiger Wettbewerb um Content-Macher. In Mark Zuckerbergs Enthüllung von Meta kommen seine diesbezüglichen Ambitionen, die er in seiner früheren Ankündigung eines 1 Milliarde US-Dollar schweren „Creator Fund“ bereits vorweggenommen hat, voll zum Ausdruck. Aber er ist nicht der Einzige. Tik Tok (70 Millionen US-Dollar) und YouTube (100 Millionen US-Dollar) haben ebenfalls für Schlagzeilen gesorgt, und das zu Recht. Wenn MGM Studios Amazon mehr als 8 Milliarden US-Dollar wert ist, dann sind vergleichbar hohe Investitionen in Millionen von Stunden an kreativen Inhalten der nächste logische Schritt.
Kein Stück vom Kuchen für die Kleinen
Die Schlagzeilen klingen großartig – Content Creators gewinnen mit mehr Einnahmen und Plattformen gewinnen mit mehr Inhalten – aber wer das Kleingedruckte liest, merkt, dass aufstrebende, kleine Influencer oft nicht an der Beute beteiligt sind. Sie müssen einfach zu viele Hürden überwinden, um ein Stück vom Kuchen abzubekommen. In einigen Fällen werden kleinere Creators regelrecht ausgebeutet. Plattformen wie YouTube sind dafür bekannt, dass sie zum einen Werbevideos auf nicht von Partnern stammenden Inhalten platzieren, und zum anderen diese User nicht mal für die platzierten Anzeigen entschädigen. Mit anderen Worten: Wenn ich ein Video erstelle und es auf YouTube mit einem „Opt-out“ für Werbung einstelle, wird trotzdem eine Anzeige vor meinem Video eingeblendet und ich erhalte keinen Anteil an den Werbeeinnahmen. Wäre es Plattformen wie YouTube wirklich ernst mit der „Creator-Freundlichkeit“, würden sie nicht auf solche Taktiken zurückgreifen, nur um einen oder zwei Euro extra zu verdienen.
Profit vor Gemeinwohl
Diese vergiftete Dynamik zwischen Content-Machern und Plattformen ist durch den Wirbel um den anhaltenden Facebook-Whistleblower-Skandal noch angespannter geworden. Geleakte Dokumente haben unsere schlimmsten Befürchtungen bestätigt – Facebook hat schamlos seinen Profit über das Wohl der Verbraucher und der Gesellschaft gestellt. Zitat NPR (National Public Radio): „Facebooks eigene Forscher wissen, dass Instagram, das zu Facebook gehört, negative Auswirkungen auf das Selbstbild und die psychische Gesundheit von vielen Mädchen im Teenageralter hat. Interne Dokumente enthüllen auch, dass die Forscher von Facebook die Führung des Unternehmens davor gewarnt haben, dass die Plattform in Entwicklungsländern für Menschenhandel, Drogenhandel und für Aufrufe zu ethnischer Gewalt eingesetzt werde.”
Ich kann mir nur vorstellen, welche Fragen Marken sich vor dem Hintergrund dieser miteinander wetteifernden Schlagzeilen stellen:
- Wenn die finanzielle Förderung für Creators ausgeweitet wird, welche Formen von Inhalten und welche Kategorien von Content-Machern werden durch diese Mittel unterstützt?
- Wenn die Algorithmen nur darauf ausgerichtet sind, das Engagement und die Verweildauer zugunsten der Plattform zu erhöhen, wie kann ich dann sicherstellen, dass ich nicht hinter schädlichen Inhalten stehe?
- Gibt es eine Möglichkeit, auf nützliche und positive Art und Weise auf Social Media Plattformen unterwegs zu sein?
Marken in der Pflicht
Beginnen wir mit der Beantwortung dieser Fragen, indem wir festhalten, dass Marken eine entscheidende Rolle in der Creator Economy und der Zukunft der sozialen Medien spielen. Der Erlös der von Influencern genehmigten Anzeigen unter Verwendung von YouTube-, Tik Tok- und Facebook-Algorithmen kommt diesen Content-Machern zwar zugute. Stimmt das Werbeumfeld jedoch nicht, geschieht das nicht immer in der von Marken beabsichtigten Art und Weise. Indem sie die eigennützigen Praktiken der Plattformen stillschweigend dulden, machen sich Marketeers, die in diesem Ökosystem die Fäden in der Hand halten, mitschuldig.
Mit einer gezielteren Kontrolle und mehr Eigenverantwortung im Hinblick auf den weiteren gesellschaftlichen Impact ihrer Werbeinvestitionen könnten Marken hingegen als kollektive Kraft zur Unterstützung und Förderung positiverer sozialer Narrative fungieren – beginnend mit einer breiter gefächerten Abdeckung der Creator-Investitionen. Partnerschaftsstrategien für Diversität, Gleichberechtigung und Inklusion sorgen dafür, dass die Finanzierung an eine vielfältige Gruppe von Creators, an die von ihnen ausgewählten Plattformen und an ihre Inhalte geht, damit schädliche Narrative unterdrückt und aus den Algorithmen entfernt werden können.
Vorbilder in anderen Plattformen
Wenn Marken ihre Spendings anders einsetzen, wird YouTube möglicherweise gezwungen sein, sich ein Beispiel an Plattformen vom Metaverse-Typ wie Roblox (43 Millionen monatlich aktive Nutzer), Minecraft (140 Millionen monatlich aktive Nutzer) und CORE (30 Millionen monatlich aktive Nutzer) zu nehmen. Diese Plattformen verstehen ihre Creators und, was noch wichtiger ist, die Bedürfnisse und Wünsche ihrer Nutzerbasis vollkommen. In diesen Umfeldern wird gefördert, dass User sich kreativ austoben und Zubehör sowie Kits erstellen können. Das geht so weit, dass Creators wählen können, ob sie ihre Inhalte kostenlos oder kostenpflichtig zum Download zur Verfügung stellen wollen. Selbst große Künstler wie Deadmau5 fühlen sich aufgrund der dort gewährten künstlerischen Freiheiten zu Plattformen wie CORE hingezogen und bauen auf dem auf, was andere wie Marshmello mit dem Fortnite-Event 2019, das 10 Millionen Zuschauer anlocken konnte, vorgemacht haben.
Sturz der Giganten?
Solange die Plattformen nicht aus den (Negativ-)Schlagzeilen kommen und sich nicht ernsthaft um die Unterstützung von Content-Machern bemühen, sollten sich (insbesondere) YouTube, Facebook und Tik Tok in Acht nehmen. Creator-finanzierte Plattformen wie die vom ehemaligen CEO von Patreon geleitete Plattform Rally mit einer ausschließlich von Influencern finanzierten, 100 Millionen US-Dollar schweren Krypto-„Kriegskasse“ schicken sich an, die traditionellen Beziehungen zwischen Plattformen und Creatorn infrage zu stellen. Mit ein paar einflusreichen Content-Machern, ihren Inhalten, einem cleveren Messaging und einem Unterstützungsmodell ähnlich dem eines Mäzens wird es vielleicht nicht mehr allzu lange dauern, bis Creators mehr Einfluss auf ihre Vergütung haben als je zuvor.
Zusammenfassend lässt sich sagen: Marken können sehr viel für die eigene positive Wahrnehmung tun, indem Sie in die Creator Economy investieren. Wichtig ist dabei nur, dass sie nicht blind auf den Kauf algorithmisch selektierter Werbung setzen, sondern sich von echtem Purpose und dem Potenzial zur Mitgestaltung von Plattformen durch deren User leiten lassen.
Dieser Artikel ist erstmals auf The Drum erschienen.
Mehr zum Thema Förderung für Content Creators gibt es in diesem Artikel auf meedia.de.
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