Als Kommunikationsstudentin und als Teil des Corporate Communications-Teams der CROSSMEDIA liest unsere Kollegin Jana Keßler viel Fachpresse und verfolgt aufmerksam aktuelle Debatten auf LinkedIn. Dabei stellt sie fest: Ihre Generation kommt gerade bei älteren Marketern häufig sehr schlecht weg. Einverstanden ist sie damit gar nicht.
Selber hören macht schlau. Hier gibt’s den Artikel als reine Audiospur:
Ich wurde 1997 geboren und bin damit offiziell noch Zugehörige der heiß diskutierten Generation Z, die laut Statista Ende 2021 knapp 11.6 Mio. Deutsche umfasste. Wir sind die einzige Generation, die die zentralen Entwicklungsaufgaben von Jugend ins Erwachsenenalter im Internetzeitalter bewältigt hat. Das Abitur bzw. das Fachabitur wird in meiner Generation zunehmend der dominante Schulabschluss. Während die Nachkriegsgeneration nur 13 % Abiturabschlüsse zu verzeichnen hatte, sollen es Angaben des Bundesministeriums für Forschung und Bildung zufolge 2030 schon 50 % sein. Und obgleich das nicht für alle Vertreter:innen meiner Generation gilt, geht es Kindern und Jugendlichen heutzutage im Schnitt besser als früher – auch wenn der Trend eine klare Wohlstandspolarisierung zeigt. Die zunehmende Bildung und die wirtschaftliche Stabilität unserer Eltern – Gründe dafür, dass wir Zeit, Muße, Ressourcen und Kapazität haben, uns mit gesellschaftspolitisch relevanten Themen auseinandersetzen? Vielleicht. Ob die frühe Politisierung der Generation Z mit diesen Merkmalen korreliert, lässt sich bislang nur mutmaßen.
Eine aktivistische Generation auf Nachhaltigkeitsmission
Fakt ist: Gen Z und eine 16-jährige Schwedin fordern politische Entscheidungsträger:innen und Marketingverantwortliche auf der ganzen Welt heraus. Klar, dass über 33 % der Befragten (hochgerechnet auf die gesamte Generation in Deutschland) angeben, sie fänden von allen Parteien “Die Grünen” am sympathischsten. Andere wichtige Themen auf den Zetteln der Gen Z wie Chancengleichheit finden in der Wahl der Partei erstaunlicherweise weniger Berücksichtigung: “DIE LINKE”, deren Wahlprogramm das Thema am ehesten zugeordnet werden kann, bekommt an der Stelle keinen Zielgruppenbonus. Nur etwa 5 % finden die Partei sympathisch. Und die AfD erhält bei einer pro-europäischen und weltoffenen Generation mit 4,5 % (alle Angaben nach Statista) den geringsten Zuspruch – Überraschung. Die Wahlbeteiligung der jungen Generation ist dennoch schlecht wie eh und je. Dies zeigt aus meiner Perspektive jedoch nur die skeptische Haltung gegenüber politischen Entscheidungsträger:innen und keinesfalls politisches Desinteresse. Die Wucht der Black-Lives-Matter-Proteste oder die Fridays-for-Future-Bewegung beweisen, dass das Argument von sozialem und ökologischem Desinteresse schlichtweg nicht – oder zumindest nicht generationsübergreifend – stimmen kann. Ganz im Gegenteil: Die Gen Z scheint in Sachen Nachhaltigkeit wie keine Generation zuvor verstanden zu haben, dass der kollektive Wohlstand dieser Erde auf ihrer Heilung beruht. Und weil Ältere den Jüngeren häufig Eigenschaften wie Mündigkeit absprechen, fordert die Gen Z die Einhaltung der UN-Klimaziele lauter, durchdringlicher und radikaler als Generationen zuvor.
Was wir von (Arbeitgeber-)Marken erwarten
Der Wunsch nach Authentizität in Sachen Politik lässt sich Studien zufolge auch auf den Arbeitgeber münzen. Bei der Arbeitgeberwahl sehnt sich die Gen Z außerdem nach Autonomie, Flexibilität und Vertrauen. Ich bin verdammt froh, dass ich in meinem Job nicht das Gefühl habe, 60 Stunden die Woche kloppen zu müssen, damit aus mir auch mal was wird. Ein Privileg, das viele ältere Arbeitnehmer:innen wohl auch gern gehabt hätten. Und egal, wie das in Australien & Co. verbrachte Gap Year von Abiturient:innen belächelt wird – Ist doch großartig, dass nicht jede:r direkt in den Ernst des Lebens starten muss. Und natürlich ist uns dankbar bewusst, dass uns alle vorangegangen Generationen diesen Weg geebnet haben.
Würde ich meine Bachelorarbeit nicht über’s Metaverse schreiben, hätte ich sie über Brand Purpose, Love Brands oder ein ähnliches Thema geschrieben. Ich glaube, in Sachen Purpose Marketing könnte ich nicht Gen Z-iger sein: Ich esse kein Fleisch, fahre kein Auto, ich verlange gendern, ich supporte Unternehmen, in denen Diversity unterstützt wird – and the list goes on. Das scheinen ja – zumindest den Fachmedien nach – auch viele Marken sowie Arbeitgeber begriffen zu haben. Aber wann hört es auf, Kritik dafür zu hageln? Ich bin mal so arrogant zu sagen: Wir sind die Kauf- und Arbeitskraft von morgen – uns in der Zielgruppenansprache zu berücksichtigen, ist nichts außer klug. Und bei groben Fehlern (siehe “Pinky Glove”) cancelt eine Generation auch mal eben eine Marke in Grund und Boden. Habe ich ein Statement von Ikea dazu gebraucht? Nein. Fand ich’s trotzdem cool? Ja. Das eröffnet doch gänzlich neue Wege der Marken- bzw. Unternehmensinszenierung.
Positionierung und Haltung waren aus meiner Sicht nie wichtiger – egal ob Marke oder Arbeitgebermarke. Sich auf der Arbeit verstanden zu fühlen, ist für mein Dafürhalten eines der wichtigsten Assets. Ich möchte mir keine Überstunden um die Ohren schlagen müssen, um von meinem Arbeitgeber ernstgenommen zu werden. Zumal das Konstrukt, Leistung nur in Zeit zu messen, ein mir eh Fremdes ist. Ich möchte Eigenverantwortung – trotzdem darf und soll meine Führungskraft mich lenken. Ich möchte im Job Wertschätzung erfahren und mich zwischenmenschlich mitteilen können. Mein Engagement und mein Involvement sind 100 % davon abhängig, wie wohl ich mich auf der Arbeit fühle – und das habe ich eben nicht allein in der Hand. Gutes bzw. faires Gehalt ist wichtig, aber wenn ich deswegen an Work-Life-Balance einbüßen muss, sind mir non-monetäre Anreize wichtiger. Eine starke Arbeitskultur führt von ganz allein dazu, dass ich nicht das Handtuch werfe, wenn viel zu tun ist – aber wenn ich nur noch einen Satz über die Faulheit und Arroganz von Gen Z lese, klappe ich den Laptop zu und lösche das Internet. Für immer.
„Positionierung und Haltung waren aus meiner Sicht nie wichtiger – egal ob Marke oder Arbeitgebermarke.“
Positionierung und Haltung sind jedoch keine Marketingbuzzwords sondern es muss authentisch gelebt werden. Denn nichts ist meiner Meinung nach fadenscheinlicher als Green-, Pink oder sonstiges Washing. Diese Punkte werden früher oder später aufgedeckt und mit entsprechender Härte abgestraft. Wir sollten dennoch weiterhin an zweite Chancen und „Vergebung“ glauben. Wir sind nun mal alle Menschen und machen, unabhängig der Motivation, Fehler. Wenn dies eingestanden und aufrichtig angegangen werden, sollten wir dies mit gleicher „Härte“ wertschätzen, wie wir diese gecancelt oder kritisiert haben.
Da hast du total Recht – Haltung & Positionierung gesellschaftspolitischen Themen gegenüber erfordert immer auch das Leben von eben jener Werte. Und wo wir gerade bei Green- Pink- & was auch immer -Washing waren: Das merkt man finde ich auch immer sehr intuitiv, oder? Bei der Formel 1 gibt’s seit 2021 schließlich auch keine Plastikflaschen mehr – yei. 😉
Ich glaube auch an zweite Chancen aber eben auch nur bei entsprechender Aufarbeitung und Reflektion, Vertrauen gibt’s schließlich nicht geschenkt. Zur Wertschätzungs-Thematik: Ich glaube ehrlich gesagt, dass viele Marken – trotz gegenteiliger Aussagen in Fachmedien – sogar von Gen Z mit Loyalität „gewertschätzt“ werden. Kann ich zumindest in meiner eigenen Bubble und bei mir selbst beobachten. 🙂 – Jana