Alphabet braucht einen Kurswechsel, glaubt Jay Krihak, Executive Director bei Crossmedia New York. Warum das für Google eine Abkehr von seinen cookie-basierten Open-Market-Stacks und ein klares Commitment Richtung OTT (Over-the-top Content) / Connected TV bedeuten sollte, erläutert er hier.
Selber hören macht schlau. Hier gibt’s den Artikel als reine Audiospur:
Nach der Niederlage gegen Microsoft beim Netflix-Deal leckt sich Alphabet (Google) immer noch seine Wunden. Aber eine verlorene Schlacht bedeutet noch einen verlorenen Krieg. Google muss im Kampf um CTV/OTT sofort wieder alle verfügbaren Kräfte mobilisieren.
Die Dringlichkeit dieses Kampfs nimmt beständig zu, da das Kerngeschäft von Google durch Regierungen weltweit bedroht wird. So besteht in Europa beispielsweise die Gefahr, dass Google Analytics gemäß der DSGVO schon bald gesetzlich verboten sein könnte. In der Zwischenzeit formieren sich in den USA Kräfte, um das Werbetechnologiegeschäft von Google zu zerschlagen.
Vor diesem Hintergrund stellt die Entscheidung von Google, das Ende von Third Party Cookies hinauszuzögern, nur eine weitere Hinhaltetaktik dar, bis das Unternehmen eine Einigung mit den Datenschutzbehörden erzielen kann. Die Regierungen haben allerdings deutlich gemacht, dass sie sich nicht mit halbherzigen Vorschlägen oder Maßnahmen zufriedengeben werden.
Alphabet ist auch wegen seiner Wettbewerber in der Defensive. Dank TikTok und Amazon steht die Google-Suche unter Beschuss. Die DV360-Plattform von Google, das Kernstück seiner programmatischen Strategie, befindet sich in der Aufholjagd gegenüber anderen Demand-Side-Plattformen.
Für Alphabet ist es an der Zeit, in den Spiegel zu schauen und mit einem monumentalen Statement einen Kurswechsel einzuleiten: Google muss sich seines cookie-basierten Open-Market-Stacks (DSP, SSP, Ad-Server etc.) entledigen, und die freiwerdenden Mittel dafür aufwenden, Abonnenten zu kaufen und Inhalte zu produzieren.
Der Weg zu Innovationen führt über Akquisitionen
Das Problem ist offensichtlich. Werbetreibende zahlen dafür, dass bei den kostenlosen Produkten von Google die Lichter an bleiben. Aber wenn es um Abonnenten geht, mangelt es Google am Verständnis, für welche Videoprodukte die Menschen bereit sind, zu zahlen.
Im Vergleich zu Amazon, das in den letzten zwei Jahren 25 Milliarden Dollar für Prime Video-Inhalte ausgegeben hat, oder zu Apple TV+, das 2022 mit CODA einen Oscar für den besten Film gewonnen hat, fehlt Google ein skaliertes Angebot für geskriptete, abonnementbasierte und werbefinanzierte Unterhaltung.
Aber es ist noch nicht zu spät, etwas wirklich Disruptives zu starten und durch Akquisitionen eine seismische Veränderung im Video-Ökosystem zu bewirken.
Schauen wir uns die Optionen an.
Die naheliegendste Option wäre Paramount. Als Hollywood-Marke alter Schule, modernisiert für das digitale Zeitalter, bewirbt das Unternehmen eine App für Originalprogramme, welche die Creator-zentrierten Inhalte von YouTube hervorragend ergänzen könnten. Zudem ist Paramount günstiger als die meisten anderen Optionen und würde eine umfangreiche Bibliothek an Inhalten liefern.
Warner Bros. Discovery ist Paramount insofern sehr ähnlich, als dass es mehrere Millionen Abonnenten von HBO Max und einen extensiven Content-Katalog mitbringt. Es ist auch nicht durch bestehende Partnerschaften belastet, daher wäre dies eine relativ saubere Transaktion. Das bedeutet jedoch nicht, dass es keine Nachteile hätte, denn es würde beinhalten, einen Berg von Schulden von AT&T übernehmen zu müssen. Allerdings könnte ein frisch mit Bargeld ausgestattetes Google (aus dem Verkauf seines Open-Market-Werbestacks) diese Beträge leicht schultern, sodass die Transaktion im schlimmsten Fall netto-neutral, wenn nicht gar netto-positiv wäre.
Und dann gibt es da noch Netflix. Es ist keine Frage – Netflix wäre der ideale Kandidat. Googles markführende Kompetenzen in digitalen Werbelösungen könnten bei Netflix wie ein Beschleuniger wirken, um die Werbeausgaben auf einen Schlag an sich zu binden. Und der Topf könnte sogar noch größer werden, wenn man die Daten von Google den Unmengen von Zuschauerdaten des Streaminganbieters hinzufügt.
Ein weiterer Kollateralnutzen wäre die Möglichkeit für YouTube, auf die wertvolle Empfehlungs-Engine von Netflix zugreifen zu können und umgekehrt, von Ideen für Produktverbesserungen und Inhaltsbeschaffung profitieren zu können. Klar, das wäre mit einem massiven Aufschlag verbunden und der Microsoft-Deal müsste ausgekauft werden. Im nächsten Jahrzehnt würde sich dies aber in erheblichem Maße auszahlen.
Jede dieser Akquisitionen wäre eine gute Geschäftsentscheidung und würde einen mutigen, disruptiven Schritt darstellen – in einer Zeit, in der Alphabet auf der Suche nach Innovationen ist.
Apropos Innovationen: Würde Google aus dem offenen Markt aussteigen, könnte dies den Weg für Innovationen und künftiges Wachstum im gesamten Ökosystem frei machen.
Kurz gesagt, wenn Google Cookies gegen Inhalte tauscht, ist dies die bestmögliche Entwicklung für alle Seiten. Und dafür gibt es keinen besseren Zeitpunkt als jetzt.
Dieser Artikel ist zuerst am 27.07.2022 auf adexchanger.com erschienen.
Foto Credit: Mitchell Luo (Unsplash)
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