Wenn es um die Zukunft des cookiebasierten Targetings geht, wird die Verantwortung gerne hin- und hergeschoben. Agenturen, Publisher und Marketer diskutieren viele Theorien und spekulieren über „noch nicht marktreife Lösungen“ – konkret verändert hat sich aber noch wenig. Ein Fehler, findet Svenja Erdmann, Head of Programmatic Development & Innovation bei CROSSMEDIA Deutschland, denn durch diese Zurückhaltung sorgen alle Beteiligten dafür, dass sich die Entwicklung eher verlangsamt, als mit großen Schritten voranzugehen.
Die Zukunft des Third Party Cookies gehört zu einem der Themen, die derzeit in jedem Newsletter, Blogbeitrag oder Panel auftauchen. Schaut man aber an den pressewirksamen Aktionen vorbei direkt in die Agenturen, Publisher oder auch Unternehmen, wird schnell klar, dass sich alle Beteiligten tendenziell auf dünnem Eis bewegen. Denn es wird zwar viel diskutiert – aber dann doch lieber abgewartet. Dabei droht die Cookiekalyse nicht erst morgen oder übermorgen – die Auswirkungen sind bereits heute spürbar. Was ehrlich gesagt eine Riesenchance ist.
Aufgrund der Browsereinstellungen können Third Party Cookies schon heute nur noch bei Traffic über einen Chrome-Browser genutzt werden. Mit 40-50% Marktanteil handelt es sich hiermit zwar um den Marktführer, im Umkehrschluss geht den Werbetreibenden damit aber jetzt schon rund die Hälfte aller User verloren. Sie sind schlichtweg nicht ansprechbar, solange Unternehmen ausschließlich cookiebasiertes Targeting nutzen.
Sich jetzt schon mit der Cookieless Future auseinanderzusetzen, bedeutet also auch, Effizienzen in der aktuellen Kampagnenaussteuerung zu nutzen. Oftmals können cookielose Inventare zu einem besseren TKP erworben werden, da die Nachfrage sich derzeit noch in Grenzen hält. Außerdem besteht aktuell die Riesenchance, verschiedenen Targetingmöglichkeiten neben einem klassischen Third Party Targeting zu testen. Das sorgt bei einem korrekten Test-Set-up für größtmögliche Vergleichbarkeit und liefert wertvolle Insights für die Zukunft.
Das können wir jetzt schon tun, um uns auf eine Welt ohne Cookies vorzubereiten
- Kontextuelles Targeting testen und benchmarken
Welche ID-Lösungen sich in Deutschland durchsetzen werden, ist nach wie vor unklar. Topics wird kommen und Neuerungen für Chrome mit sich bringen. Bis dahin sollten Marketer lernen, welche Auswirkungen eine Umstellung auf contentbasiertes / kontextuelles Targeting im Vergleich zu den aktuellen, granularen User Daten über Third Party Cookies mit sich bringt. Eine Annäherung kann heute schon über den Test von kontextuellen Datenpartnern und Publishern angestellt werden und so der Effekt auf die Main KPIs abgeschätzt werden. - Bestehende ID-Lösungen testen und daraus lernen
Schon heute können erste Testballons mit den verfügbaren ID-Lösungen in Deutschland gestartet werden. So können sowohl User, die über Firefox, Safari und Edge „verlorengehen“, als auch die Chrome User adressiert werden. Erste Tests können derzeit beispielsweise mit der ID5-ID über das Ströer-Inventar aufgesetzt werden. Die Targeting-Technologie ist bereits einsetzbar und erste Ergebnisse können sich sehen lassen: Virtual Minds, Ströer und OS Data Solutions beispielsweise konnten die Werbereichweite in allen relevanten Browsern um bis zu 78 % erhöhen und einen um etwa 10 % niedrigeren TKP für den Werbetreibenden in Browsern ohne Cookies im Vergleich zu Chrome erzielten, indem sie die ID5-ID anstelle von Drittanbieter-Cookies genutzt haben. - First-Party-Daten ausbauen
Die wohl meistdiskutierte Lösung für die Cookie-Änderungen ist der Auf- und Ausbau von First-Party-Daten auf Seiten der Unternehmen. Marketingabteilungen sollten in gute CRM-Systeme, Userbefragungen und die Erstellung von Inhalten investieren, um mehr Insights über ihre Zielgruppe zu generieren. First-Party-Daten sind im Zuge der Kampagnenaussteuerung auch über Schnittstellen zu den Walled Gardens und mit entsprechender Technologie auch für Programmatic-Kampagnen nutzbar. Der Austausch von First-Party-Daten zwischen Unternehmen ist derzeit auch schon über sogenannte Data Clean Rooms möglich.Dennoch gilt die These nicht für jedes Unternehmen. Denn potenzielle Kunden beispielsweise aus dem FMCG-Bereich zunächst einmal auf die eigene Website zu ziehen, ihren Consent oder sogar ihre Kontaktdaten einzuholen, um sie dann stetig mit relevanten und neuen Inhalten zu versorgen, kann weitaus kostspieliger sein, als einfach eine breite Masse über verfügbare Datensegmente anzusprechen. Für E-Commerce und komplexe Dienstleistungen ist der Aufbau von First-Party-Daten hingegen unabdingbar, um Kunden zukünftig für sich zu gewinnen. - Kampagnenbewertung und Attribution vorbereiten
Schon heute ist es aufgrund der geräte- und browserübergreifenden Customer Journeys und der erwähnten Cookie-Tracking-Beschränkungen nicht mehr möglich, den gesamten Verlauf eines Kunden nachzuvollziehen und zu messen. Mit der Chrome-Umstellung werden die letzten Daten nochmals weiter geschwächt. Die Upper-Funnel-Kanäle werden dadurch zukünftig noch signifikanter unterbewertet. Es ist wichtiger denn je, ein Attributionsmodell aufzubauen, das die Eröffnungskanäle im Marketing-Mix weiterhin berücksichtigt und so erlaubt, effiziente Media-Mix-Entscheidungen zu treffen, die den Gesamt-ROAS stetig steigen lassen. - Schulungen, Austausch und Transparenz fördern
Der wohl mit wichtigste Punkt in der Vorbereitung auf die Cookieless Future ist, in Unternehmen und Agenturen ein einheitliches Verständnis für den Wandel zu schaffen und mit den Veränderungen zu lernen. Die Cookieless Era wird kommen und wir werden die Strategien und Kampagnen anpassen. Es wäre fatal, wenn aus reiner Unsicherheit über Technologien und deren Anwendung die Walled Gardens immer weiter profitieren, während die freie Medienlandschaft mit stetig hohen Einnahmeeinbußen zu kämpfen hat. Der Mediamix sollte nach wie vor auf Basis der Effizienz optimiert und verändert werden. Und hier sehen wir deutlich, dass die Reichweiten gepaart mit der Umfeldqualität großer Seitenbetreiber im Open Web einen starken Beitrag für Brand- und Performance-Kampagne leisten und nicht aus den Mediaplänen wegzudenken sind.
Das Aus der Third Party Cookies ist nicht das Ende von wirkungsvoller Digitalplanung. Im Gegenteil, es ist ein neuer Anfang und es gibt keinen Grund, sich weiterhin wie das Kaninchen vor der Schlange zu verhalten.
Was denkst du?