Der CO₂-Fußabdruck der Werbeindustrie ist doppelt so groß wie der der zivilen Luftfahrt. Um die massiven Emissionen zu verringen, bedarf es das Zutun aller Akteure. In seinem Gastbeitrag erörtert Tilman Henschke, Strategie Manager bei CROSSMEDIA London, wie unsere Branche zusammenarbeiten kann, um nachhaltiger zu werden, und zeigt vier Möglichkeiten auf, wie Kunden auf die Reise mitgenommen werden können.
Sustainable Media ist kein neues Thema. Zahlen zu den Emissionen in der Werbeindustrie werden schon lange auf Branchenveranstaltungen und in der Presse diskutiert. Um Nachhaltigkeitsziele in der Medienbranche zu erreichen, muss die Kluft zwischen Diskussionen über nachhaltige Praktiken und deren effektiver Umsetzung überbrückt werden. Während zahlreiche technologische Neuerungen im Marketing eine Verringerung von Emissionen versprechen, sind sich Agenturen und deren Kunden oft uneins, wenn es darum geht, Nachhaltigkeitsziele zu erreichen.
Obwohl unsere Branche in Bereichen wie Energieverbrauch, Abfallmanagement oder bei der Reduzierung von Geschäftsreisen Fortschritte macht, muss der Fokus auch auf das Tagesgeschäft ausgeweitet werden. Allein die digitale Werbung trägt zu 3,5 Prozent der weltweiten C0₂-Emissionen bei und übertrifft damit den jährlichen Beitrag der Luftfahrtindustrie – und diese ignoriert das Problem nicht, sondern hat sich konsolidiert einer Strategie verschrieben, die Emissionen verringert. Einzelne Anstrengungen unserer Branche sind sicherlich lobenswert, aber für sich genommen reichen sie nicht aus, um einen wirklichen Impact zu haben. Darüber hinaus stellen der derzeitige Fokus auf kurzfristigen Parameter wie Performance sowie die Ungewissheit darüber, wie sich der Einsatz klimafreundlicher Media auf den Kampagnenerfolg auswirkt, für Agenturen und Kunden gleichermaßen eine Herausforderung dar.
Sich der verursachten Emissionen nicht nur bewusst zu sein, sondern aktiv nach Lösungen zu suchen, sollte für unsere gesamte Branche zum Standard gehören. Indem wir die Wirksamkeit von Werbung steigern und so dabei anfallenden Müll sowie Emissionen verringern, können wir bereits mit sofortiger Wirkung nachhaltiger werben. Targeting, Kanalauswahl und Kampagnenaussteuerung sollten deshalb so präzise wie möglich sein. Darüber hinaus sind die Verhinderung von Click Fraud oder BotTraffic, die Miteinbeziehung von Attention Planning und die Nutzung dynamischer Asset-Optimierung wirksame Strategien, um zusätzliche Effizienz zu erzielen und Emissionen zu reduzieren.
Kunden mitnehmen – auf vier Leveln
Für eine tiefergehende Auseinandersetzung mit dem Thema ist eine kontinuierliche Weiterbildung grundlegend, da neue Technologien entwickelt werden und die Messungen von Emissionen immer genauer wird. Um das Problem wirklich anzugehen, werden wir schlussendlich jedoch Strategien umsetzen müssen, bei denen die Nachhaltigkeit im Mittelpunkt steht. Auf den folgenden vier Ebenen kann ein auf Kundenseite eine verstärkte Bereitschaft für den Einsatz nachhaltiger Media gefördert werden:
1. Tracking: Die Einstiegsmethode liegt auf der Hand – zunächst sollten die verursachten Emissionen der gewählten Medien bewusst getrackt und bewertet werden. Dies kann bei der internen Nachhaltigkeitsberichterstattung helfen, das Bewusstsein für das Thema schärfen oder einfach eine Ausgangsbasis für die spätere Optimierung schaffen.
2. Testen: Wie bereits erwähnt, stellt Performance wohl die größte Hürde dar, wenn es darum geht, sich mit nachhaltiger Media zu beschäftigen. Untersuchungen zeigen jedoch, dass nachhaltigere Anbieter aufgrund ihres Engagements für modernste Anzeigentechnologie tendenziell auch ein höheres Leistungsniveau erreichen. Die Durchführung eines A/B-Tests anhand von Nachhaltigkeitskriterien kann daher den Beweis erbringen, dass Bedenken hinsichtlich eines Performance-Verlusts ausgeräumt werden können.
3. Umsetzung: Realisieren Sie eine vollständige Kampagne, bei der die Reduzierung des CO₂-Ausstoßes einer der KPIs ist. Dies kann entweder durch einen Emissionsausgleich oder durch die Optimierung der Assets und Platzierungen geschehen.
4. Kanalübergreifende Optimierung: Das ideale Szenario ist eine auf Nachhaltigkeit ausgerichtete Strategie, bei der Budgetierung, Kanalauswahl und Optimierung den Nachhaltigkeitsrichtlinien entsprechen. Ein ganzheitlicher Ansatz, bei dem die Nachhaltigkeitsbemühungen alle Media-Aktivitäten untermauern.
Die vier Stufen der nachhaltigen Mediaplanung ermöglichen es sowohl Kunden als auch ihren Agenturen, die ersten Schritte zu gehen, ohne sich gleich zu einer völligen Veränderung ihrer Media-KPIs zu verpflichten. Die Stufen sind so konzipiert, dass sie Flexibilität ermöglichen und gleichzeitig die Bemühungen zur Reduzierung der Emissionen maximieren, je nachdem, wie bereit die Marke zu einem bestimmten Zeitpunkt ist.
Nachhaltigkeit muss zum Fundament werden
Während das Teilen von Wissen und Best Practices innerhalb des Ökosystems von Mediaagenturen weiterhin an erster Stelle steht, ist ein integrativer Ansatz für nachhaltige Media unerlässlich. Anstatt Nachhaltigkeit nur mit Performance zu vergleichen, sollte sie den Planungsprozess von Anfang bis Ende durchdringen. Agenturen sollten die gleichen Grundsätze einhalten, die sie von ihren Kunden erwarten. Relevante Nachhaltigkeitsdaten sollten in strategische Erkenntnisse einfließen, bei der Auswahl von Medienpartnern berücksichtigt werden und strengen Bewertungskriterien genügen. Darüber hinaus muss sichergestellt werden, dass nicht nur die Emissionen der effektiven Werbung erfasst werden, sondern auch die indirekten Emissionen, die auf dem Weg zur Schaltung dieser Werbung entstehen.
Bei CROSSMEDIA haben wir mit CO₂NSCIOUS MEDIA unseren eigenen Ansatz für klimabewusste Media entwickelt. Unsere Strategie: CO₂ vermeiden – CO₂ reduzieren – CO₂ kompensieren – in dieser Rheinfolge. Das auf drei Pfeilern ruhende Modell betrachtet den gesamten Weg der Wertschöpfungskette und hilft Kunden, klimafreundlichere Kampagnen aufzusetzen.
Nachhaltige Media soll und kann nicht in der alleinigen Verantwortung einer einzelnen Agentur liegen. Es bedarf gemeinsamer Anstrengungen, um Initiativen auszuweiten und Effekte langfristig zu maximieren. Dazu können agenturübergreifende Arbeitsgruppen beitragen, die einen ständigen Dialog über das Thema führen; regelmäßige Nachhaltigkeitsaudits sowie die Einhaltung einer Nachhaltigkeitscharta müssen für Verantwortlichkeit und Glaubwürdigkeit sorgen, die Teile unserer Branche dringend benötigen.
Dieser Artikel ist erstmals am 30.04.2024 auf horizont.net erschienen.
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