Wir staunen dieser Tage nicht schlecht über das, was Künstliche Intelligenz, ganz konkret ChatGPT, bereits leisten kann. Doch was wir hier sehen, ist erst der Anfang einer rasant voranschreitenden Entwicklung, so Dirk Nögel, Director Digital Products & Innovations bei CROSSMEDIA Deutschland. Er skizziert, wo die Reise hingeht und auf welche Veränderungen wir uns einstellen können.
Selber hören macht schlau. Hier gibt’s den Artikel als reine Audiospur:
Wir kennen die berühmte Mahnung von Amazon-Gründer Jeff Bezos: “It’s still day one”. Die Botschaft dahinter: Auch wenn uns die Welt heute bereits wahnsinnig digital vorkommt, stehen wir noch ganz am Anfang. Smartphones, Social Media und E-Commerce in der heutigen Form sind nicht das Ende der Digitalisierung, sondern eine Momentaufnahme ganz am Anfang einer noch nicht absehbaren Entwicklung.
Langsam wird deutlich, wohin die digitale Reise geht. Denn die bereits lange diskutierte KI-Revolution drängt nun tatsächlich mit großer Wucht in unseren Arbeitsalltag. Auf Social Media haben sich in den letzten Wochen die begeisterten Reviews des von OpenAI bereitgestellten Services ChatGPT überschlagen und sie machen deutlich: Niemand hat erwartet, dass KI bereits heute einen solchen Entwicklungsstand erreicht haben würde.
Doch während wir uns begeistert eine Liste mit Ideen oder Python-Code schreiben lassen, fällt es schwer, das Ausmaß der Veränderung wirklich zu begreifen. Denn auch wenn uns langsam dämmert, dass wir in ein neues Zeitalter eintreten, unterschätzen wir weiterhin die Geschwindigkeit und die Qualität von Künstlicher Intelligenz und somit das Ausmaß der Veränderung, die uns bevorstehen:
1) Geschwindigkeit: Exponentielles Wachstum
Wenn wir die Ergebnisse KI-generierter Bilder von vor sechs Monaten und heute vergleichen, liegen dazwischen Welten. Die ersten, vor kurzem noch mit Begeisterung betrachteten Bilder wirken aus heutiger Sicht unbeholfen und albern. Alles spricht dafür, dass wir schon in wenigen Wochen genauso auf die heutigen KI-Outputs blicken werden. Denn KI entwickelt sich gerade exponentiell. ChatGPT in der heutigen Form ist eine Momentaufnahme, die verblassen wird gegenüber den Tools, die wir in einem Jahr zur Verfügung haben.
2) Qualität: Nicht mehr unterscheidbar
Heute lassen sich KI-generierte Inhalte in vielen Fällen leicht als solche erkennen. Spezialisierte Online-Tools erkennen von KI erzeugte Texte mit großer Treffergenauigkeit. KI-generierte Musik, Stimmen, Bilder und Videos sind noch nicht auf dem Niveau, dass wir sie als gleichranging betrachten könnten. Aber: Durch die rasante Entwicklung kommen wir diesem Punkt Tag für Tag näher. Wir werden also immer öfter nicht mehr sagen können, ob Texte, Stimmen, Bilder und Videos KI-generiert wurden. Dabei geht es um eher Wochen und Monate, keinesfalls um Jahrzehnte, wie viele vielleicht glauben. Einige Bespiele für aktuelle, KI-generierte Bilder: https://www.midjourney.com/showcase/top/
3) Ausmaß der Veränderungen: Alles wird auf den Kopf gestellt
Neue Arbeitswelt
Ein relevanter Teil typischer Bürotätigkeiten wie E-Mails beantworten, Budgetübersichten erstellen, Meetings zusammenfassen oder Dokumente erstellen kann von einer KI mühelos übernommen werden. Aktuell braucht es dafür einen Menschen, der die KI punktuell gezielt einbindet und kontrolliert – doch auch das ist nur eine Momentaufnahme. Es wird dauern, bis sich Unternehmen auf die neuen Möglichkeiten eingestellt haben und vieles ist noch unklar. Dennoch lässt sich schon jetzt absehen, dass ein großer Teil der heutigen Büro-Jobs in Zukunft wegfallen oder sich massiv verändern wird.
Neue Machtverhältnisse
Google, Meta, Apple und Amazon dominieren bislang unsere digitale Welt. Doch die bahnbrechende Entwicklung der KI kommt nicht von diesen Platzhirschen. Neue Player wie OpenAI betreten die Bühne und machen ihre Technologie über APIs jedem verfügbar. Auch Open-Source-Anwendungen spielen plötzlich ganz vorne mit. Gespannt dürfen wir sein auf neue Entwicklungen aus dem Hause Google, deren Geschäftsmodell am stärksten in Gefahr gerät. Die Suche ist noch immer das Zugpferd hinter Googles Erfolg. Doch wer klickt sich durch Listen von Suchergebnissen, wenn die KI die Antwort direkt in einem Satz liefert?
Neue Werbewelt
Schon bald werden wir immer mehr komplett KI-generierte Werbemittel sehen, die die automatisierte Werbeaussteuerung und Dynamic Creatives auf ein neues Niveau anheben. Zu Beginn werden es statische Ads sein, später auch Videos. Erst nur Teile, dann ganze Ads. Zunächst im Netz, irgendwann auch auf dem TV-Screen. Umso wertvoller wird menschliche Kreativität werden, die es schafft, aus der KI-generierten Gleichförmigkeit herauszubrechen. Doch auch diese wird sich Inspiration von der KI liefern lassen.
KI in allen Bereichen
Man könnte diese Liste beliebig fortführen: Wie steht es um den Journalismus? Wie gehen wir mit dem Risiko um, dass die KI gezielt Fake News streut? Was passiert im Entertainment? Wird in Zukunft beispielsweise eine Netflix-Serie live auf unsere Bedürfnisse zugeschnitten von der KI erstellt? Was passiert mit den Teilen der Bevölkerung, die von der Entwicklung überfordert werden? Was entsteht, wenn die KI Robotern nahezu menschliche Interaktion ermöglicht? Werden wir rein virtuelle Kolleg:innen haben, die bestimmte Aufgaben ohne Gehalt und Pausen erledigen? It’s still day one…
Wer das Thema ChatGTP aus Sicht unseres amerikanischen Kollegen Matt Asman betrachten möchte, findet seinen Blogbeitrag hier.
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